News

Vorheriger Artikel

Nächster Artikel

International

Ju Wenjun gewann die Schach-WM der Frauen 2018 in Chongqing (CHN)

Die Schachweltmeisterschaft der Frauen 2018 zwischen der seit 3. März 2017 amtierenden Weltmeisterin Tan Zhongyi (CHN) und ihrer Herausforderin Ju Wenjun (CHN), die sich durch den Sieg des Grand Prix 2015/16 qualifiziert hatte, fand vom 2. Mai (Eröffnungsfeier) bis 9. Mai 2018 in Schanghai, der größten Stadt Chinas, und vom 12. bis 18. Mai 2018 in Chongqing, einer Millionenstadt in der chinesischen Provinz Sichuan, statt. Der ursprünglich für 2017 geplante Zweikampf hatte wegen mangelndem Sponsoreninteresse bei den letzten Weltmeisterschaften und der in der Ausschreibung angebotenen Verlängerung des Spieltermins bis Ende März 2018 zu einer Verschiebung bis Mai 2018 geführt. Diese Weltmeisterschaft war für maximal 10 Partien anberaumt (und falls notwendig noch Tiebreaks), endete aber jedenfalls, sobald eine Spielerin 5,5 Punkte erreicht hat. Die Bedenkzeit betrug 90 min für 40 Züge und 30 min für den Rest des Spiels plus 30 s Zuschlag pro Zug.

Die derzeit weltbeste aktive Schachspielerin und Nummer 1 der Weltrangliste der Frauen, die Chinesin Hou Yifan (2658 Elo), hat sich aus Unzufriedenheit mit dem Austragungsmodus der Weltmeisterschaften der Frauen im Mai 2016 völlig aus dem Frauenschach zurückgezogen. Die Weltmeisterschaften der Frauen werden jährlich und abwechselnd als K.o.-Turnier und im Wettkampf durchgeführt. Bei den K.o.-Turnieren spielen Zufall, Losglück und Tagesform eine große Rolle und so verlor Hou Yifan dort ihren Titel und musste sich diesen nach Qualifikation über die Grand Prix-Serie und den Wettkampf gegen die Titelträgerin mühsam zurückerobern. Dies gelang ihr zweimal: 2013 gegen Anna Uschenina (UKR) und 2016 gegen Marija Musytschuk (UKR). Da aber Gespräche mit der FIDE über eine Modusänderung erfolglos blieben, beendete Hou Yifan ihre Teilnahme an den Weltmeisterschaften der Frauen.

Die bisherige Weltmeisterin Tan Zhongyi, mit 2522 Elo die Nummer 10 der Rating List der Frauen, musste diesen Wettkampf gegen ihre Herausforderin Ju Wenjun, mit 2571 Elo die Nummer 2 der Weltrangliste der Frauen, antreten, was von Anfang an schon keine leichte Aufgabe war. Nach den ersten fünf im Hotel InterContinental Jing’an in Schanghai gespielten Partien lag Ju Wenjun bereits mit 3½ : 1½ Punkten in Führung. Vier der fünf Matches haben mit einer klaren Entscheidung geendet, nur die erste Partie endete mit einem Remis. Nach der Übersiedlung ins Sun Kingdom Hotel nach Chongqing wurde als 6. Partie ein Mammutmatch von 6 Stunden und mit 125 Zügen gespielt, welches Tan Zhongyi gewann und damit den Vorsprung ihrer Herausforderin auf 3½ : 2½ verringern konnte; alle restlichen Partien endeten unentschieden, was für Ju Wenjun nach zehn Runden einen Punktestand von 5½ : 4½ und damit den Sieg gegenüber der bisherigen Weltmeisterin bedeutete.

In der 9. Runde spielte Tan mit den weißen Steinen und begann mit 1. d4, Ju antwortete mit 1. … Sf6 und es wurde daraus wieder eine Nimzo-Indische Eröffnung. Im 11. Zug wusste Tan sogar, dass ihr 11. Sxd2 eine größere Chance in der Partie bieten würde, aber sie entschied sich, mit 11. Dxd2 einen moderaten Weg zu gehen. Das hat das Spiel dann ausgewogen gemacht, bis Tan dann 33. Td4 spielte. Ein zweifelhafter Zug, wie Ju Wenjun bei der Konferenz nach dem Spiel meinte, weil ihr das die Gelegenheit gab, Vorteil zu gewinnen. „Weiß sollte stattdessen 33. Td1 ziehen“, sagte Ju weiter und Tan stimmte ihr zu. Tan lachte und sagte, sie habe gedacht 33. Td4 und 33. Td1 seien dasselbe, und irgendwie habe sie auch 33. … Td1 übersehen. Das brachte für Ju Wenjun zwei Bauern ein. Eigentlich eine sehr gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Endspiel, aber der schwarze König war so unpassend platziert, dass Ju diese Partie praktisch nicht gewinnen konnte. In weiterer Folge reagierte Tan richtig und das Spiel endete mit einem Remis.

In der 10. Runde genügte Ju Wenjun ein Remis, um neue (17.) Schachweltmeisterin zu werden, was ihr auch gelang. Sie ist damit auch die 6. chinesische Schachspielerin, die diesen Titel erkämpfte. Tan Zhongyi, die die schwarzen Steine hatte, versuchte ihre Herausforderin nach 1. d4 mit der Hippopotamus-Verteidigung zu überraschen, aber wie es schien war Ju Wenjun darauf gut vorbereitet und erzielte sogar einen Vorteil aus dieser Eröffnung. Der Versuch Tans, ein entsprechendes Gegenspiel zu schaffen, war riskant und hat in einer verlorenen Position geendet. Trotz einer absoluten Gewinnstellung entschied sich Ju für ein Remis und beendete das Spiel nach 70 Zügen siegesbewußt, zufrieden und glücklich.

Ist es Zufall oder Schicksal, dass sowohl Tan Zhongyi wie auch Ju Wenjun im selben Jahr geboren wurden, von der Schanghaier Universität für Finanzen und Volkswirtschaft graduiert wurden, dass beide Schachspielerinnen in der chinesischen Nationalmannschaft spielen und trotzdem – oder gerade deshalb – enge Freunde im täglichen Leben sind?

Bedauerlich für Tan Zhongyi ist auch, dass sie elf Tage vor ihrem 27. Geburtstag den Weltmeistertitel in ihrer Heimatstadt verlor.

Für den Herbst dieses Jahres plant die FIDE noch eine weitere als K.o.-Turnier auszutragende Weltmeisterschaft mit 64 Spielerinnen für dasselbe Jahr, welche in Chanty-Mansijsk (RUS) stattfinden soll.

Offizielle Website:          http://china2018.fide.com/en/main-page

Schach WM der Frauen

mihu / 18.05.2018