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Schacholympiade Indien 2022
11.08.2022

International

Schacholympiade Indien 2022

Photo: fide.com/ Photographer: Lennart Ootes

 

Die 44. Schacholympiade der Männer (seit 1976 Open) bzw. die 29. Schacholympiade der Frauen fand 2022 in dem südindischen Ort Mahabalipuram an der Koromandelküste im Süden des Golfs von Bengalen, rund 50 km südwestlich von Chennai (bis 1996: Madras), der Hauptstadt des indischen Gliedstaates Tamil Nadu, statt. Ursprünglich war diese Schacholympiade für den Sommer 2020 an Russland vergeben worden, konnte aber wegen der weltweiten Covid-19-Pandemie nicht wie geplant stattfinden und wurde zunächst auf das Jahr 2021 verschoben, später aber gänzlich abgesagt. Ersatzweise richtete die FIDE ein Online-Turnier aus, welches in dieser Auflistung jedoch nicht berücksichtigt worden ist. Gespielt wurden vom 29. Juli bis 9. August 2022 (4. August Ruhetag) von jedem Team 11 Runden nach dem Schweizer System für Mannschaftsturniere, das heißt: 40 Züge in 90 min plus 30 min, plus 30 s für jeden Zug. Gewertet wurden 1. die Summe der Mannschaftspunkte (2, 1, 0), 2. die Olympiade-Sonneborg-Berger-Wertung, 3. die Summe der Brettpunkte und 4. die Olympiade-Buchholz-Wertung; die Wertungen 2 und 4 mit je einem Streichresultat (Chennai).

„Es gibt keine Verlierer, nur Gewinner und künftige Gewinner!“, mit dieser weisen Betrachtung erntete der indische Premierminister Narendra Modi den größten Applaus im Nehru Indoor Stadium, dem Austragungsort der Eröffnungszeremonie am Donnerstagabend, den 28. Juli 2022, vor mehr als 20.000 Spielern, Trainern und lokalen Schachbegeisterten. Ein von zwei Tänzerinnen dargebotener Bharatanatyam-Tanz beendete die Eröffnungsfeier bei der auch FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich sowie lokale und nationale Politiker anwesend waren.

Das österreichische Männerteam unter Kapitän Borki Predojevic war durch Markus Ragger, Valentin Dragnev, Felix Blohberger, David Shengelia und Dominik Horvath vertreten, während die rot-weiß-rote Frauenmannschaft unter Kapitän Siegfried Baumegger aus Katharina Newrkla, Chiara Polterauer, Denise Trippold, Nikola Mayrhuber und Elisabeth Hapala bestand. Insgesamt nahmen 188 Mannschaften am Offenen Turnier (darunter 13 Frauen) und 162 Teams am Damenturnier teil – ein bisheriger Teilnehmerrekord. Ausgeschlossen von der Teilnahme waren im März 2022 der russische und weißrussische Verband wegen des Überfalls von Russland auf die Ukraine im Februar 2022 worden, während der chinesische Verband dem Anschein nach aus Sorge und als Schutz gegen die anhaltende Covid-19-Pandemie auf eine Teilnahme verzichtete.

 

Ex-Weltmeister und indischer Schachsuperstar Viswanathan Anand eröffnete am Freitag (29. Juli) pünktlich um 15 Uhr in der Haupthalle des Four Points by Sheraton Mahabalipuram Resort & Convention Center die erste Runde der 44. Schacholympiade, indem er den ersten Zug für GM Anna Musytschuk (UKR) durchführte, deren Team in dieser Runde gegen Südafrika spielte. Österreichs Männer trafen zum Auftakt auf die Mannschaft von Liechtenstein, die Frauen auf das Team von Trinidad und Tobago. Der zweite Turniertag begann mit einer ganz besonderen Nebenhandlung: Die indische Schachlegende „Vishy“ Anand wandte sich an Hunderte von Kindern, die aus verschiedenen Teilen Indiens angereist waren, um ihre erste Olympiade mitzuerleben. „Vishy“ beantwortete zahlreiche Fragen und signierte Hunderte von Schachbrettern für die aufstrebenden Großmeister. Eine der Fragen kam von zwei achtjährigen Zwillingsschwestern aus Delhi. Sie fragten, wie Figuren hätten „abgelenkt“ (in eine andere Richtung bewegt) werden können, die beim Ziehen verloren gingen. Anands witzige Antwort: „Meine Figuren werden nie abgelenkt. Es ist der Gegner, den ihr ablenken sollt, nicht die Figuren!“ wurde mit großem Applaus akklamiert. Diesen Tag konnten die beiden österreichischen Teams noch erfolgreich beenden: die Männer siegten gegen die Mannschaft von Luxemburg, die Frau gegen das Team von El Salvador. Am dritten Tag (31. Juli) hatten die rot-weiß-roten Mannschaften keine leichten Aufgaben: Die Männer konnten sich dennoch gegen den Neuntgesetzten Deutschland mit 2½ : 1½ erfolgreich durchsetzen, die Frauen mussten sich, auf Chiara Polterauer aus Covid-19-Gründen verzichtend, zu dritt dem Team „Indien 3“ mit 1½ : 2½ geschlagen geben. Der Sieg über die deutsche Herrenmannschaft rief Erinnerungen an das Krankl-Tor bei der Fußball-WM am 21. Juni 1978 in Cordoba (ARG) wach – mit zwei kleinen Unterschieden: das deutsche Team musste nach der Niederlage gegen Österreich nicht gleich nach hause fahren und Sportreporter Edi Finger sen. war bei diesem Event auch nicht (mehr) anwesend.

Der vierte Tag stand für beide österreichische Teams unter keinem guten Stern. Die Männer mussten das Match mit 1 : 3 dem Team von Armenien überlassen; der ungebetene Gast Covid-19 hat mit Katharine Newrkla ein weiteres Opfer unserer Frauenmannschaft gefunden. So konnten die rot-weiß-roten Frauen nur noch zu dritt gegen Paraguay antreten und verloren das Match auch prompt mit 1½ : 2½ Punkten. Am fünften Tag (2. August) dominierten Österreichs Herren mit 2½ : 1½ über Portugals Auswahl;  das durch das Coronavirus bereits geschwächte Frauenteam konnte wieder nur zu dritt antreten. Dennoch ließ es mit einem 3 : 0-Matchsieg gegen die Vereinigten Arabischen Emirate aufhorchen. Für den sechsten Spieltag haben Österreichs Herren ein schweres Los gezogen: England - das Zehntgesetzte – dennoch gelang ein Remis.  die Frauen hingegen spielten immer nur noch zu dritt gegen das Team von Costa Rica. Donnerstag, der 4. August, war Ruhetag.

Wenn nach sechs (von elf) Runden eine Zwischenbilanz gezogen wird, ist bei den Herren nach David Shengelia, der aus zwei Spielen zwei Punkte (100 %) erkämpfte, der 19jährige Burgenländer Dominik Horvath bisher der erfolgreichste österreichische Spieler dieser Olympiade. Er hat aus sechs Spielen fünf Punkte geholt (83,3 %) – der neue Dückstein des 21. Jahrhunderts (siehe weiter unten!). Bei den Frauen lässt sich das durch die krankheitsbedingten Ausfälle von Katharina Newrkla und Chiara Polterauer nicht genau eruieren, doch ist die 22jährige Wienerin Nikola Mayrhuber mit Abstand die Erfolgreichste. Sie hat aus fünf Spielen fünf Punkte (100 %) – herzliche Gratulation! – geholt und liegt damit vor Denise Trippold (80 %) und vor Elisabeth Hapala mit einem Score von 66,7 %. Die Männer lagen zur Halbzeit auf dem 22. Rang, die Frauen auf Platz 41.

Der siebente Spieltag (5. August) sah die österreichische Herrenmannschaft mit wehenden Fahnen untergehen: 0 : 4 gegen Ungarn; das Frauenteam remisierte gegen Kanada. Auch am achten Spieltag gab es für Österreich nichts zu lachen: die Männer verloren gegen Irland 1 : 3, die Frauen gegen Kuba ½ : 3½. Doch am neunten Spieltag (7. August) stiegen die rot-weiß-roten Mannschaften wie ein Phönix aus der Asche: Sowohl Österreichs Herren gegen Bolivien, als auch die Frauen gegen Angola siegten mit jeweils 4 : 0. Am vorletzten Spieltag triumphierten Österreichs Männer mit 3 : 1 über Andorra, die Frauen mussten sich jedoch den Französinnen   1 : 3 geschlagen geben. Am letzten Spieltag (9. August) waren die Männer mit 2½ : 1½ über Belgien siegreich, Österreichs Frauen schickten das Team von Montenegro mit 3½ : ½ in die Wüste.

Österreichs Männer beendeten diese Schacholympiade mit 7 Siegen, einem Remis und 3 Niederlagen auf dem 23. (von 188) Platz, wobei David Shengelia krankheitsbedingt nur fünf Runden im Einsatz war. Erfolgreichster rot-wie-roter Spieler war Dominik Horvath, der acht Punkte aus elf Spielen (72,7 %) erzielte, gefolgt von David Shengelia mit 3½ Punkten aus 5 (70,0 %) und Felix Blohberger mit 5½ Punkten aus 10 (55,0 %); auf den beiden Spitzenbrettern erreichte Markus Ragger mit 4½ aus 9 (50,0 %) und Valentin Dragnev mit 4 Punkten aus 9 Spielen (44,4 %). Österreichs Frauen gewannen 6 Matches, remisierten einmal und verloren vier Runden. Sie beendeten das Turnier auf dem 36. Rang, wobei – wie oben schon erwähnt – Katharina Newrkla (44,4 %) und Chiara Polterauer (42,9 %) auf den Spitzenbrettern krankheitsbedingt mehrere Runden ausfielen. Erfolgreichste Österreicherin war Nikola Mayrhuber mit 7½ Punkten aus 10 Spielen (75,0 %), vor Denise Trippold mit 5 aus 7 (71,4 %) und Elisabeth Hapala mit 7 aus 11 (63,6 %).

 

Olympia-Goldgewann im Open die Mannschaft aus Usbekistan mit 19 Match- und 33 Brettpunkten, Olympia-Silber das Team aus Armenien ebenfalls mit 19 Match-, aber nur 28½ Brettpunkten und Olympia-Bronze ging an die Mannschaft „Indien 2“ mit 18 Match- und 32½ Brettpunkten. Bei den Frauen gewann Olympia-Gold das Team aus der Ukraine mit 18 Match- und 30½ Brettpunkten; Olympia-Silber holten sich die Georgierinnen mit ebenfalls 18 Match-, aber 29 Brettpunkten; Olympia-Bronze ging an Indien mit 17 Match- und 29 Brettpunkten.

 

Ergebnisse Schacholympiade Frauen

 

Ergebnisse Schacholympiade Open

 

Am Abend des letzten Spieltags fand in Anwesenheit von Tamil Nadus Chief Minister M. K. Stalin, sowie FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich, FIDE-Vizepräsident GM Viswanathan Anand und anderen Persönlichkeiten die Abschlusszeremonie der 44. Schacholympiade im Jawaharlal-Nehru-Stadion statt. Während des aktionsreichen Abends wurden den Gewinnern Medaillen und andere Preise überreicht. Chief Minister M. K. Stalin überreichte die Medaillen an die Gewinner in der offenen Kategorie, während FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich die Siegertrophäe in der offenen Kategorie an GM Ivan Sokolov, dem hervorragenden Trainer und Kapitän der usbekischen Mannschaft, überreichte. Zwischen den Preisverleihungen (Individuelle Brettmedaillen, Kategoriepreise, Gaprindaschwili-Pokal)  wurden Tanzdarbietungen geboten, vor allem auch ein „Tanzdrama“ über die Entwicklung des Sports in Tamil Nadu. Am Ende der vierstündigen Unterhaltung schloss FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich die 44. Olympiade und übergab die olympische Flagge an Laszlo Szabo, den Präsidenten des ungarischen Schachbundes – Budapest wird Austragungsort der Schacholympiade 2024 sein.

 

Neben der in der Tabelle „Schacholympiaden“ dargestellten Wettkämpfe gab es auch vier inoffizielle Veranstaltungen:

1924 versuchten Schachfreunde in Paris ihrem Spiel einen olympischen Charakter zu verleihen, scheiterten jedoch an ihrem professionellen Status und konnten sich deshalb als Olympiateilnehmer nicht durchsetzen.

Im Juli 1926 hatte der 1924 gegründete Weltschachbund FIDE bei seinem Kongress in Budapest ein kleines Mannschaftsturnier veranstaltet, welches erstmals nach schacholympischen Regeln ausgetragen wurde. Es nahmen nur die vier Länder Deutschland, Jugoslawien, Rumänien und Ungarn daran teil.

1936 in München. Obwohl diese Veranstaltung nicht von der FIDE ausgeschrieben war, wurde sie vom Großdeutschen Schachbund, der nach der „Machtergreifung“ an die Stelle des Deutschen Schachbundes getreten war und die FIDE verlassen hatte, als Schacholympiade deklariert. Aufgrund der mit den FIDE-Grundsätzen unvereinbaren nationalsozialistischen Ideologie kam es zur Entfremdung mit der internationalen Schachgemeinschaft. So war es beispielsweise durch Regelungen der deutschen Regierung nur noch „arischen“ Spielern erlaubt, in deutschen Mannschaften zu spielen.

An der Schacholympiade 1939, die von 24.08. bis 19.09.1939 im Teatro Politeama in Buenos Aires (Argentinien) stattfand, war wegen des Anschlusses Österreich an das Deutsche Reich im März 1938 keine österreichische Mannschaft nach Argentinien entsandt worden, jedoch spielten zwei österreichische Spieler – Erich Eliskases und Albert Becker im fünfköpfigen Team des Deutschen Reichs, welches diese Olympiade, an der 27 Mannschaften teilgenommen hatten, gewann.

Im Herbst 1976 wurde eine Gegenolympiade (oder Anti-Israel-Olympiade) in Tripolis (Libyen) ausgetragen, die von der FIDE missbilligt wurde, weil sie politisch gegen Israel gerichtet war, wo zur gleichen Zeit in Haifa die offizielle 22. Schacholympiade abgehalten wurde. Grund war die veränderte Lage im Nahostkonflikt, die sowohl durch den Sechstagekrieg 1967 als auch durch den Jom-Kippur-Krieg 1973 eingetreten war. Die militärischen Erfolge Israels hatten Zorn in der islamisch-arabischen Welt verursacht, wozu noch die Geschlossenheit der sozialistischen Länder hinzukam.

 

Und schließlich soll noch an ein Highlight erinnert werden, das mit der heurigen Schacholympiade allerdings wenig zu tun hat. „Unser“ Grandseigneur des Schachsports Andreas Dückstein, der während der Schacholympiade in diesem Jahr seinen 95. Geburtstag feierte – im Nachhinein herzliche Gratulation und noch viele Jahre bei guter Gesundheit! – wurde bei der Schacholympiade 1974 in Nizza für seine dort erbrachte Leistung für das österreichische Team ausgezeichnet, wo er 10 Punkte aus 12 Spielen (Erfolgsquote 83,3 %) erkämpfen konnte – auch hierfür aufrichtigen Respekt und viel Anerkennung!

 

https://chess-results.com/tnr653631.aspx?       

 

mihu 11.08.2022

 

 

Datum
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